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Jeunes Vignerons 

  • AutorenbildFrederik Schulz

Geisenheim bei Nacht - Teil 1: Ein Bayer auf Abwegen

Es ist Samstagabend. Ein etwas trister Tag im Rheingau neigt sich dem Ende zu. Wenn es Nacht wird und die letzten Lichtstrahlen hinter dem Rochusberg in Bingen verschwinden, dann fängt in Geisenheim eine zweite Lebensader an zu schlagen - wenn sich Studenten treffen, um Wein zu trinken.

Ich möchte an dieser Stelle nicht allzu ausführlich über die letzten Ereignisse schreiben, denn Niclas Reis und seinen Weinen werde ich noch einen ausführlicheren Bericht widmen. Aber das Erlebte ist einfach viel zu spannend, um nicht kurz davon zu berichten: Ein Tisch, acht Studenten, ein Wein. Niemand kennt den Inhalt der Flasche. Die erste Nase etwas verwirrend - ich würde das nicht nach Deutschland stecken. Reduktiv, würzig, gleichzeitig mineralisch, kalter Stein. Ich denke an Portugal, vielleicht an Bical aus der Bairrada. Am Gaumen deutliche Gerbstoffe. Man sehnt sich nach dem nächsten Schluck…


Überraschend ist für mich am Ende des Abends nicht die Tatsache, dass Niclas diesen Wein gemacht hat. Es ist viel erstaunlicher, dass es sich hier um einen 2017er Riesling von der Mosel handelt. Genauer gesagt aus dem Kestener Paulinsberg. Unter der Obhut von Matthias Meierer baut Niclas in diesem Jahr schon seinen zweiten Wein aus. 418 Kilometer von seiner Heimat in Bayern entfernt. Dass Niclas ein absoluter Riesling-Fanatiker ist, merkt man sofort. Erfahrungen hat er unter anderem auf dem Karthäuserhof an der Ruwer gesammelt. Eines Tages lernt er dann Matthias Meierer kennen, der schon seit längerer Zeit junge Winzer und Neueinsteiger bei ihren eigenen Projekten unterstützt. Dabei muss erwähnt werden, dass hier ganz eigene Stile entstehen, die nicht mit den Weinen von Matthias´ Weingut verglichen werden können, obwohl sie im selben Keller ausgebaut werden.


Es schmerzt ein wenig, dass er schon seit einiger Zeit ausgetrunken ist. Niclas´ Mutter hat die kleine Menge im eigenen Fußpflegestudio innerhalb weniger Tage an Freunde verkauft. Ganz ohne schönheitsfördernde Maßnahmen kommt hingegen sein Wein aus. Frei von jeglicher „ich mach was Geiles, weil ich geil bin“ -Attitude. Im Keller möglichst wenig Eingriffe (wie auch, wenn Niclas doch unter der Woche in Geisenheim seine Zeit verbringt), spontan im Edelstahl vergoren - mit einem kleinen Anteil ganzer Beeren. Erst nach 9 Monaten wurde der Tank für die erste Kostprobe geöffnet, gefüllt wurde er mit verbliebenen 6 Gramm Zucker, 11,5% Alkohol. Den Wein in die Kategorie „natural“ einzuordnen wäre vermessen. Aber er ist wild, voller Spannung und trotzdem so jugendlich und bescheiden – vielleicht stellt man sich so einen modernen Riesling von der Mosel vor.


Und wieder einmal geht ein Abend in Geisenheim zu Ende, der so viel mehr zu bieten hatte, als einen Tisch voller Weinflaschen. Mit den klassischen Symptomen einer etwas zu langen "Degustation" wache ich am nächsten Morgen auf, Niclas´ Wein habe ich noch in guter Erinnerung. Vielleicht findet man in Geisenheim einen großen Ursprung moderner Weinkultur, denn junge Winzer aus aller Welt treffen beim gemeinsamen Studium aufeinander. Außerhalb der Hörsäle meistens abends – so wie gestern. Dann lernt man Menschen kennen wie Niclas, der als ersten Wein einen Riesling von der Mosel gemacht hat, der all das verkörpert, was Geisenheim für uns Studenten ist – vielleicht der Start zu etwas ganz Großem. Frederik Schulz, im Februar 2019

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