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Jeunes Vignerons 

  • AutorenbildFrederik Schulz

Carolin Weiler - Dem Rheingau die Krone aufsetzen

Es ist ein wunderbarer Wintermorgen im Rheingau. Die Sonne tränkt die Region in ein wohliges Rot und die Temperaturen bewegen sich im angenehmen einstelligen Bereich. Dass dies auch für mein heutiges Ziel, Lorch, gilt – sicher bin ich mir nicht. Tatsächlich weht am äußersten westlichen Rand des Rheingaus ein frischerer Wind als in Geisenheim und auch die Temperaturen sind etwas gefallen. Dass dieser Teil des Anbaugebiets in den letzten Jahren in Sachen Wein nicht gerade für Furore gesorgt hat, ist hinlänglich bekannt. Es ist wohl vor allem der grandiosen Arbeit von Eva Fricke zu verdanken, dass einige der besten und einzigartigsten Riesling-Weinlagen Deutschlands noch nicht in Vergessenheit geraten sind. Eine, die daran mit eigenen ausdruckstarken Weinen anknüpfen möchte und den frischen „Lorcher Wind“ nicht nur nutzt, sondern auch selbst für ordentlich Wirbel sorgt, ist Carolin Weiler. Beim Treffen im kleinen Familienweingut erzählt sie mir von ihren großen Plänen, aber auch von den vielen kleinen Stolpersteinen im Leben einer Jungwinzerin.


© kamerAH

Wer in Rüdesheim die Bahnlinie passiert, taucht in eine andere Welt ein. Vorbei am Rüdesheimer Schlossberg, der sich majestätisch direkt oberhalb der Bundesstraße mit der Burg Ehrenfels erstreckt, erreicht man nach wenigen Minuten Assmannshausen mit seinem legendären Höllenberg. Die meisten Touri-Busse wählen spätestens hier die Abbiegespur in Richtung Höllengasse. Schlendert man durch das kleine Örtchen, dann wird schnell klar: Hier ist die Zeit ein wenig stehengeblieben. Wieso sollte ich – um Himmels Willen – weitere 10 Kilometer nach Lorch zurücklegen? Eine Frage, die Carolin so beantwortet: „Das eigentlich spannende am Rheingau ist Lorch.“ Was für eine Ansage. Für eine Jungwinzerin, die gerade ihren zweiten Wein ausbaut, ist das schon sehr selbstbewusst. Im Verlauf des Gesprächs wird mir jedoch schnell klar, dass die Aussage gar nicht so vermessen ist wie zunächst angenommen.



Carolin ist mittlerweile die vierte Generation im Weingut Weiler. Noch vor einigen Jahren hatte die heute 30-jährige gar nicht damit gerechnet, dass sie heute den Betrieb gemeinsam mit ihrem Vater in die Zukunft führen wird. Denn eigentlich ist Carolin gelernte Erzieherin. Wein war für sie aber schon immer eine Herzensangelegenheit. Zwischen 2006 und 2012 repräsentierte Carolin den Lorcher Wein als Weinmajestät, im Gutsausschank des Weinguts half sie immer gerne mit. Nach der Schule rieten ihr die Eltern jedoch ab, den Schritt in Richtung Winzerleben zu wagen. Einer ihrer Brüder sollte den Betrieb übernehmen.

Der Beruf im sozialen Bereich machte Carolin Spaß, doch der Wunsch, mehr über die Tätigkeit zu lernen, die schon so lange in der Familie verankert ist, blieb. 2017 startete sie dann gemeinsam mit mir das Studium in Geisenheim. Für ihren Vater, der sich schon darauf eingestellt hatte, dass niemand den Betrieb übernehmen wird, löste Carolins Entschluss Freude und Sorge zugleich aus, denn das Leben als Winzer ist alles andere als ein Kinderspiel, schon gar nicht in den Lorcher Steillagen, in denen Handarbeit an erster Stelle steht. Doch Carolin ließ sich nicht abbringen. Der Wunsch, das eigene Familienweingut erfolgreich in die Zukunft zu führen, war einfach zu groß. Früh machte sie jedoch auch klar: „Wir können nicht so weitermachen wie bisher.“ Man möchte meinen, dass so ein Spruch einem gestandenen Winzer, der seit 40 Jahren Wein macht, erstmal wie ein Schlag in die Magengrube vorkommt. Doch im Grunde geht es Caro vor allem darum, das Familienweingut fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen.

Seit Carolin ihren Vater unterstützt, gibt es tatsächlich viel Neues – sowohl im Weingut als auch in Carolins Leben. An der grundlegenden Philosophie des Vaters hat sie jedoch wenig gerüttelt und das ist auch gut so, denn seit jeher entstehen bei den Weilers elegante und filigrane Weine, die auf schwerelose Art und Weise das wunderbare Terroir des unteren Rheingaus verkörpern. Klar, dass man das Ganze noch viel weitertreiben kann, dafür möchte Carolin in den nächsten Jahren sorgen, mit noch komplexen, spannungsgeladenen Weinen, die eine lange Lagerfähigkeit besitzen.

Die Grundlage hierfür wird in den großartigen Parzellen des Weinguts gelegt, die sich auf gerade einmal vier Hektar verteilen. Zu 65 Prozent arbeiten die Weilers mit Riesling, der Rest der Rebfläche ist mit Spätburgunder und zu einem kleinen Teil mit Weißburgunder bestockt. Dass man sich in Lorch quasi schon im Mittelrheintal befindet, wird spätestens an der Geologie deutlich. In der nördlichsten Lage Lorchs, dem Lorcher Schlossberg, stehen die Reben fast ausschließlich auf purem Tonschiefer. Weiter südlich, in den Lagen Kapellenberg, Krone, Pfaffenwies und Bodental Steinberg finden sich immer mehr Anteile an Taunusquarzit. Neben den kargen Böden spielt auch die Exposition der Weinberge nach Westen eine wichtige Rolle, da durch die geringere Sonneneinstrahlung weniger Zucker in Beeren und dadurch auch weniger Alkohol gebildet wird. Einer der Gründe, weshalb die Rieslinge aus Lorch selten höhere Alkoholgrade als 12,5 Prozent erreichen. „Cool Climate“ findet hier ein wunderbares – und ehrliches – Beispiel.


Lorcher Bodental Steinberg

Das haben auch andere Winzer im Rheingau gemerkt. Mittlerweile gibt es einen wahren Run auf die Filetstücke in den Lorcher Weinlagen. Einen ersten Paukenschlag gab es 2018 mit der Fusion der beiden Weingüter Breuer und Altenkirch. Auch die Weilers haben einige Zeilen aus dem Besitz der Altenkirchs übernommen, erzählt mir Carolin, als wir durch ihre Lieblingslage laufen, die Lorcher Krone. Dort hat sie 2018 vier Zeilen für ihren ersten Wein bewirtschaftet. Mehr zu Caros Krone-Riesling dann in einem eigenen Beitrag, denn Premiere wird das Erstlingswerk gemeinsam mit dem Film „WeinWeiblich“ Ende April feiern, für den Carolin als Nachwuchstalent ausgewählt wurde. Vier deutsche Winzerinnen wurden für das Projekt fast 2 Jahre hinweg begleitet, jede von ihnen bekam die Aufgabe, einen eigenständigen Riesling zu erzeugen. Mit an Bord ist bei diesem Projekt auch Stuart Pigott, der Carolin zuletzt über den Rheingau hinaus bekannt gemacht hat. Ende November wurde ihr von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung der Titel „Winzerin Entdeckung des Jahres“ verliehen. Und das, obwohl Carolin bis auf den Krone Riesling noch gar keinen eigenen Wein ausgebaut hat – mächtige Vorschusslorbeeren, die sicherlich nicht gerade leicht auf ihren Schultern liegen. Seit dem FAZ-Artikel ist Carolin ständig auf Achse, präsentiert die Weine des Weinguts in ganz Deutschland, trifft sich mit Größen aus der Weinblogger-Szene, dreht auf Instagram ordentlich auf. Wenige junge Winzer verstehen es so gut, die Sozialen Medien zu nutzen – ein großer Erfolg, der dem Lorcher Riesling und dem Weingut Weiler richtig guttut.


© kamerAH

Das jetzige Leben als Jungwinzerin im Rampenlicht fordert jedoch auch seinen Tribut. Für das Studium in Geisenheim hat Carolin im Moment nur wenig Zeit. Nach dem vierten Semester hat sie den Studiengang gewechselt, von Weinwirtschaft zu Weinbau, um einfach noch mehr über die Weinbereitung zu lernen. Im Moment hat sie mit Weingut und „Weinweiblich“ aber so viel um die Ohren, dass sie sich nicht zu einhundert Prozent auf das Studium konzentrieren kann. Das Filmprojekt hat Caros Leben gewaltig auf den Kopf gestellt.

Und auch zu Hause läuft lange nicht alles reibungslos. Vater und Tochter haben ab und an unterschiedliche Auffassungen über die Zukunft des Weinguts. Wirklich bemerkenswert ist hierbei, wie offen Carolin damit umgeht. Am Ende haben die beiden noch immer eine Lösung gefunden. Die Weilers sind nur eines von unzähligen Beispielen dafür, dass ein Generationenwechsel in einem Familienweingut eben nie ganz ohne Spannungen abläuft. Aber das ist auch gut so. Einhundert Prozent Harmonie, wer möchte das schon…

Von der Lorcher Krone machen wir uns auf in den Bodental Steinberg. Hier hat Carolin im Herbst 2019 Rieslingtrauben für ihren zweiten Wein gelesen, den wir später auch noch im Weinkeller des Weinguts aus dem Tank probieren. Momentan ist er noch äußerst verschlossen, elegant und fein, wie man sich einen Riesling aus dem unteren Rheingau vorstellt.


© kamerAH

Und allmählich kann ich nachvollziehen, was Caro damit meint, wenn sie von Lorch als spannendsten Ort des Rheingaus spricht. Denn tatsächlich findet man hier einige der aufregendsten Weinlagen der Region, mit großartigen klimatischen Bedingungen und jahrzehntealten Rebbeständen. Es ist ein langer Weg bis an die Spitze für Carolin, doch selten habe ich eine so selbstbewusste Jungwinzerin getroffen. Mit ihrem bisherigen Weg hat sie den Grundstein dafür gelegt, dass in Zukunft immer mehr Weinliebhaber in den Rheingau fahren werden, aber nicht nach Oestrich, Hattenheim oder Rüdesheim, sondern bis ganz in den Westen, nach Lorch zu den Schiefer-Rieslingen wie jenen von den Weilers.


Frederik Schulz, im Januar 2020.

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