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Jeunes Vignerons 

  • AutorenbildFrederik Schulz

Aufbruch in der Gutedel-Bastion: Oliver Wagner aus Efringen-Kirchen

Gleich zu Beginn des Jahres habe ich mich auf den Weg gemacht, einen jungen Winzer zu besuchen, mit dem ich schon so manche Abende in seiner ganz wunderbaren WG in Geisenheim verbringen durfte. Als ich Olli zu Beginn des Studiums kennengelernt habe, steckte sein Projekt noch in den Kinderschuhen. Seitdem hat sich viel verändert, denn mit der Zeit ist er nicht nur ein sehr guter Freund geworden, sondern auch ein tatkräftiger Winzer, der nun schon drei eigene Weine im elterlichen Betrieb ausbaut.

Auf die Besuche bei Ollis Familie in Efringen-Kirchen freue ich mich immer sehr, denn mir gefällt das Markgräflerland nicht nur aufgrund der alemannischen Herzlichkeit der Menschen dort. Die Nähe zu Frankreich und der Schweiz schafft eine ganz besondere Atmosphäre, die das Anbaugebiet zu einem Ausflugziel für Genussmenschen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz macht. Und dennoch steht das Markgräflerland – zumindest in Sachen Wein - oft im Schatten des Kaiserstuhls, dabei gedeihen zwischen Lörrach und Freiburg ebenfalls ganz hervorragende Burgunder und mit dem Gutedel wahrt man eine besondere Spezialität, der leider viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Es ist ein kalter Wintermorgen. Die Deutsche Bahn hat mich tatsächlich einigermaßen pünktlich nach Efringen gebracht. Gleich nach meiner Ankunft machen wir uns auf in die Weinberge. Eigentlich in einen Weinberg, den Efringer Ölberg. Er ist das Aushängeschild des Ortes und zählt sicherlich zu den fünf besten Lagen des Markgräflerlands. Von ganz oben hat man einen wunderbaren Ausblick auf das Dreiländereck, Basel und Frankreich scheinen nur einen Sprung entfernt. Im Ölberg bewirtschaftet Ollis Familie den Großteil ihrer 15 Hektar, die zu einem Drittel mit Gutedel bestockt sind. Fast scheint es so, als würde von Efringen-Kirchen ausgehend eine kleine Gutedel-Revolution ausbrechen. Neben den Wagners ist Hans Peter Ziereisen der wohl größte Verfechter der Rebsorte. Nicht nur sein Jaspis 10 hoch 4 hat für Furore gesorgt und zeigt wohin der Weg gehen kann. Auf den Hoffesten tragen die Mitarbeiter von Ziereisen regelmäßig T-Shirts mit Aufdruck „Make Gutedel great again“. Beim Weingut Huck-Wagner sorgen Ollis Eltern dafür, dass der Gutedel hervorragende Weine hervorbringt. Mama Christiane kümmert sich um den Keller und Vater Roland um den Außenbetrieb. Ollis Schwester arbeitet derzeit bei Fritz und Friedrich Keller in Oberbergen und wird das Weingut gemeinsam mit Olli eines Tages weiterführen. Bis dahin wird sich einiges verändert haben in Deutschlands Weinlandschaft. Aber der Gutedel soll auch dann noch bei den Wagners einen wichtigen Platz einnehmen. Dass der das Potenzial für hervorragende Weine hat, wurde lange übersehen. Sie sind nicht allzu komplex, bieten aber mit feiner Frucht und Frische einen ungemeinen Trinkfluss. Da der Gutedel von Natur aus nur moderate Zuckerwerte bildet, erreicht er sehr selten mehr als 12,5% Alkohol und bleibt somit auch im heißen Markgräflerland ein leichter Typ.

Olli Wagner im Efringer Ölberg

Olli hat sich natürlich den Gutedel als Grundlage für seinen ersten Wein ausgesucht, den er wie die schweizerischen Pendants Chasselas nennt. Dass er den Wein ins 500 Liter Tonneau legen wird, war für ihn schon vor der Lese 2017 klar. „Dem Wein will ich gerade so viel Holz mit auf den Weg geben, dass er die feinen Fruchtnoten vom Gutedel nicht überlagert“, sagt Olli, während wir am ersten Glas schnuppern. Zu 50% lag der Wein in einem neuen Tonneau aus schwäbischer Eiche. Der Holzeinsatz ist spürbar, aber schon jetzt recht gut eingebunden. In der Nase ist er durch den BSA leicht cremig, die Fruchtnoten eher zurückhaltend. Besonders spannend sind die malzigen Aromen, die mit einer dezenten Würze gepaart sind. Für einen Gutedel ist das schon sehr erwachsen. Der Jahrgang 2017 hat auch noch genügend Säure beigesteuert, der Wein hat eine kühle, mineralische Art.


Wenn man mit Olli durch den Ölberg läuft, dann erzählt er gerne von seinen Visionen. Biologischer Anbau interessiert ihn, vielleicht wird er irgendwann einmal ganz auf die nachhaltige Bewirtschaftung umstellen. Seine Winzerausbildung hat er bei Schlumberger in Sulzburg-Laufen und bei Müller-Catoir in Neustadt absolviert. Bei seinem zweiten Projekt hat er sich aber nicht mit den Burgundersorten oder Riesling beschäftigt, sondern mit einer - für das Markgräflerland - ungewöhnlichen Rebsorte, dem Silvaner. Nach einer guten Stunde Fußmarsch erreichen wir Ollis Lieblingsort im Ölberg. Über einen schmalen Pfad erreicht man nach etwas unsicheren Schritten das Gewann Katzenrain und blickt auf eine uralte Terrassenlage, die mit bis zu 50 Jahre alten Silvanerreben im Einzelpfahlsystem bestockt ist. Wie genau der Silvaner hierher kam, das kann mir beim Abendessen nicht einmal Ollis Oma erklären, die tatkräftig im Weinberg bei allen anstehenden Arbeiten mithilft. Sicher ist nur, dass im Katzenrain einige der letzten Silvanerreben des Markgräflerlands stehen. Die Kultivierung der Terrassenlage ist für den Ölberg fast einmalig, dass sie dazu noch mit Silvaner bestockt ist, macht den Weinberg zu einem ganz besonderen Flecken Erde.


Den Anstoß zu einem ernstzunehmenden Silvaner-Projekt brachte Hans Peter Ziereisen. Auf einer Familienfeier der Wagners war der Gutedelpapst ebenfalls geladen und diskutierte mit Olli den halben Abend über die alte Anlage im Ölberg. Ziereisen sah großes Potenzial in Gemarkung und Rebsorte und so machte sich Olli gleich 2017 daran, den Weinberg für eine perfekte Lese vorzubereiten. Das Ergebnis ist ein Wein, der neben durchaus sortentypischen Merkmalen eine ganz eigenständige Art hat. Die Frucht ist sehr zurückhaltend, in der Nase hat er krautige Aromen, frisches Heu. Das Holz ist auch bei diesem Wein deutlich spürbar. Zu zwei Dritteln wurde der Wein im neuen Pfälzer 500 Literfass ausgebaut. Mit der Zeit entwickeln sich feine hellrote Aromen. Eine Mischung aus Erdbeere und Basilikum. Am Gaumen ist er durchaus opulent, bewahrt sich aber eine wohltuende Frische. Das Projekt Katzenrain hat gerade erst begonnen, man darf gespannt sein, wie sich Ollis Silvanerstil entwickeln wird.

Auf dem Weg zurück zum Weingut laufen wir an einem Kalkwerk vorbei, das den Bodenschatz aus den westlichen Ausläufern des Ölbergs gewinnt. Der ganze Weinberg ist mit dem kostbaren Jurakalk durchzogen, eine Auflage aus Löss und Lehm macht ihn zu einem perfekten Ort für die Kultivierung von Weinreben. Unter anderem auch für den Spätburgunder, der wichtigsten roten Rebsorte im Weingut Huck-Wagner. Seit 2016 baut Olli einen Spätburgunder aus, den er wie den Chasselas französisch angehaucht Pinot Noir nennt. Im Weingut angekommen probieren wir den 2017er aus dem Fass. Er ist noch einmal ein ganzes Stück besser gelungen als der 2016er. Im Jahr 2016 hat Olli den Wein nach vierwöchiger Maischegärung im Barrique und Tonneau ausgebaut, nach einem Jahr wurde er in den Stahltank gelegt und im Frühjahr 2018 unfiltriert abgefüllt. Zur Qualitätsweinprüfung hat Olli den Wein auch deshalb erst gar nicht angestellt. Mit seiner wilden, verspielten Art hat er bei der Kundschaft zunächst für Berührungsängste gesorgt. Mittlerweile läuft der Pinot immer besser. Was mir am Wein besonders gefällt ist die ganz eigene Interpretation der Rebsorte. Viele deutsche Spätburgunder sind austauschbar, eindimensional und ermüdend. Ollis Wein ist gleich bei der ersten Nase so interessant, dass man sich damit länger beschäftigen sollte. Neben den feinen Pinot-Aromen hat eine ätherische Art, feine kühle Kirschfrucht und karge mineralische Noten. Das Holz ist zwar noch sehr präsent, wird sich aber im Laufe der nächsten Jahre sicherlich gut einbinden. Mit den sehr feinen Tanninen ist Olli jedoch noch nicht recht zufrieden: „Etwas mehr Gerbstoff hätte ihn am Gaumen noch spannender gemacht.“ Beim 2017er hat er den Stil deshalb noch etwas optimiert.


Am Abend machen Ollis Eltern Flammkuchen auf dem Grill. Dazu gibt ein Fläschchen Gutedel aus dem Ölberg. Ollis Oma erzählt alte Geschichten des Weinguts und während ich so dasitze und sich mit Flammkuchen und Gutedel langsam der Zustand allgemeiner Glückseligkeit einstellt, festigt sich mein Gefühl, dass wir in nächster Zeit noch viel aus Efringen-Kirchen hören werden. Um es mit den Worten von Hans Peter Ziereisen auf den Punkt zu bringen: Go on and make the Gutedel great again!


Frederik Schulz, im März 2019

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