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Jeunes Vignerons 

  • AutorenbildFrederik Schulz

Sebastian Erbeldinger - In Rheinhessen zurück in die Zukunft

Aktualisiert: 4. Jan. 2019

Geisenheim, im Dezember 2018.

Es ist ein kalter Montagabend im Rheingau. Weihnachten steht vor der Tür und viele Studierenden packen bereits die Koffer für die Feiertage. Höchste Zeit also, noch einen jungen Winzer zu treffen, der mich auf Anhieb mit seinen Ideen und Visionen begeistert hat, denn Sebastian Erbeldinger steht mit seiner eigenen Weinlinie nicht nur für die Modernisierung des elterlichen Familienweinguts, sondern auch für die junge Generation, die das ehemals blasse Weinbaugebiet Rheinhessen zum wohl dynamischsten Deutschlands macht. Aber alles der Reihe nach…


Eine gute halbe Stunde ist vergangen, seit Sebastian an meiner Tür geklingelt hat. Seitdem ist keine ruhige Minute verstrichen. Mit leuchtenden Augen erzählt er mir von seiner Familie, von seiner Arbeit und von seinen Ideen. Sebastian studiert im dritten Semester Weinbau, morgens stand er noch im Keller des Weinguts in Bechtheim, danach ab nach Geisenheim für die Vorlesungen… Drei Weine hat er an diesem Abend dabei – alle Teil der eigens entworfenen Weinlinie „Sebastian Erbeldinger“. Ein Name, mit dem er nicht plakativ für sich selbst werben möchte - dafür ist Sebastian viel zu bescheiden. Es ist ein Name, der die ganze Familiengeschichte verkörpern soll, denn seit der Urur-Großvater – ebenfalls Sebastian Erbeldinger – eine kleine Siedlung mit gemischter Landwirtschaft gründete, aus der das heutige Bechtheim-West hervorgegangen ist, erhält jede zweite Generation diesen Namen, der so viel bedeutet wie „der Erhabene“. Diese Kontinuität möchte Sebastian mit seiner Weinlinie mehr in den Mittelpunkt stellen – gleichzeitig soll der Name eine Hommage an die Vorfahren sein.

Quelle: Sebastian Erbeldinger

Genauso wichtig ist ihm die Herkunft der Weine, denn das Familienweingut, der Bastianhauser Hof, liegt mitten in der Weinlage Heiligkreuz, in der auch die meisten Parzellen des 20 Hektar Betriebes liegen. Ihren Namen hat die Lage von einer Wallfahrtskirche mit Brunnen und Kreuz, die als Teil des Jakobswegs als Rastplatz für Pilger diente. In Fachkreisen ist Bechtheim eher für die Weinlage Geyersberg bekannt. Mit der Cuvée Blanc aus dem Heiligkreuz möchte Sebastian aber zeigen, dass die Lage mit seinem für den Wonnegau typischen kalkhaltigen Lösslehmboden deutlich unterschätzt wird. Aber später mehr zum Wein. Die Idee zu einer eigenen Weinlinie kommt Sebastian während seiner Ausbildung, die er in drei verschiedenen Top-Betrieben absolviert. Über das Weingut Gröhl in Weinolsheim führt ihn sein Weg zu Rebholz nach Siebeldingen und anschließend zu Philipp Kuhn nach Laumersheim. Sein Vater überlässt ihm in dieser Zeit einen kleinen Weinberg, der mit Chardonnay und Weißburgunderreben bestockt ist. Mit einem Barriquefass startet im Herbst 2016 das Projekt „Sebastian Erbeldinger“. Zum 18. Geburtstag bekommt er zwei weitere Barriques geschenkt, immer mehr Ideen entstehen. Im Mittelpunkt der Weinlinie stehen drei Grundpfeiler, die auch im Logo integriert wurden. Der unterste Pfeiler soll die Herkunft und den Ursprung des Weinguts symbolisieren, der oberste die Idee, mit den eigenen Visionen etwas vollkommen Neues und Unverkennbares zu erschaffen. Der mittlere Pfeiler steht für die Verbindung aus Ursprung und Vision und soll verdeutlichen, dass ohne Rückbesinnung auf die Ursprünge keine neuen Ideen verwirklicht werden können.

Quelle: Sebastian Erbeldinger

Um das alles umsetzten zu können braucht man sicherlich Zeit. Mich erstaunt es, dass sich ein solch junger Winzer (20 Jahre alt) schon so sehr mit seiner Heimat identifizieren kann, aber vielleicht ist genau dies der Schlüssel zum Erfolg. Das eigene „Terroir“ so früh wie möglich zu entdecken, ist sicherlich Gold wert, dafür braucht mancher Winzer sein halbes Leben. Generell wirkt Sebastian auf mich, als wüsste er genau, was er tut. Gleichzeitig bleibt er offen für Neues - sein Weg hat ja gerade erst begonnen. Alles scheint Hand und Fuß zu haben. So auch seine Weine:


2018 Cuvée Riesling/Gewürztraminer (Fassprobe)

Ursprünglich hatte Sebastian einen reinen Gewürztraminer Orange-Wine geplant. Im Herbst wurden die Beeren hierfür ohne Rappen vier Wochen spontan auf der Maische vergoren. Nach dem Abpressen wurde der Jungwein im Stahltank und im gebrauchten Barrique ausgebaut. Durch ein kleines Missgeschick wanderte ein Anteil Rieslingmost zum Gewürztraminer – zum Glück muss man fast schon sagen, denn der Wein erhält dadurch eine ungemeine Frische und Lebendigkeit. Sebastian hat die Gärung kurz vor dem Ende abgestoppt. Etwa 13 Gramm Zucker sind dem Wein erhalten geblieben.

In der Nase zeigt sich das klassische Aroma eines Gewürztraminers in einer etwas wilderen Art: blumig und gleichzeitig würzig – die Spontangärung erkennbar. Daneben reife gelbe Früchte und ein Hauch Cremigkeit. Am Gaumen zeigt der Wein einen ungemeinen Trinkfluss, der Restzucker wirkt nicht aufdringlich, er macht den Wein etwas verspielter. Die Säure des Rieslings steuert einen willkommenen Gegenpart zur Süße bei. Besonders spannend sind die feinen Gerbstoffe, die auf der Zunge stehen bleiben – ein toller Nebeneffekt der Maischegärung. All in all: Ein Wein, der extremen Trinkspaß bietet (Die Flasche war in kurzer Zeit geleert) und gleichzeitig einen sehr seriösen und etwas wilden Charakter hat.


2017 Heiligkreuz Cuvée Blanc

Als mir Sebastian von seinen verschiedenen Ausbildungsbetrieben erzählt, wird mir sofort klar, dass Philipp Kuhn wohl der prägendste Mentor für ihn war. Das zeigt sich auch in seinem selbst ernannten „Flaggschiff“, einer Cuvée aus Chardonnay, Weißburgunder und etwas Grauburgunder – alles Trauben aus dem Heiligkreuz, dessen Name nur die besten Weine der Kollektion zieren soll. Beim ersten Riechen muss ich sofort an die weißen Burgunder GGs von Kuhn denken – allesamt mit dieser etwas verspielteren Art und dem perfekten Holzeinsatz. Das macht sehr neugierig!

Für die Cuvée Blanc hat Sebastian bereits die Moste aus den drei Rebsorten verschnitten und anschließend spontan in neuen und gebrauchten Barriques (50/50) vergoren, nach einem Monat wurde zusätzlich beimpft. Sechs Monate blieb der Wein auf der Vollhefe, in den ersten drei Monaten wurde auch mit Battonage gearbeitet. Wie schon oben beschrieben fällt einem zunächst der Einsatz von Holz auf. Das Ganze ist schon sehr gut verpackt, wird aber noch seine Zeit brauchen, um sich voll zu integrieren. Gleichzeitig wirkt der Wein schon in der Nase sehr saftig, mit frischen gelben Früchten, reifer Birne und Äpfeln. Auch hier zeigt sich wieder eine etwas wilde und würzige Art, die das ganze noch ein Stück interessanter und spannender macht. Immer wieder findet man neue Aromen, mal etwas kandierte Frucht, mal ein bisschen Salbeiwürze. Am Gaumen dann doch noch sehr verschlossen, mit toller Balance aus Säure und Cremigkeit – Sebastian hat auf einen biologischen Säureabbau verzichtet. Generell hat der Wein trotz des spürbaren Holzeinsatzes eher eine erfreulich schlanke Art, mit 13 Volumenprozent ist er keineswegs mächtig oder opulent. Kurzum: Ein Wein, der zeigt, wo die Reise einmal hingehen soll: Steil nach oben.


2016 Spätburgunder ´1899´

Ein Wein als Hommage an den Urur-Großvater Sebastian, der sich 1899 in Bechtheim niederließ. Welche Rebsorte eignet sich da besser als der Spätburgunder? Schließlich spricht man beim Pinot Noir doch auch von der „erhabensten“ Rotweinsorte der Welt… Im Glas nun ein Wein, der mich zunächst etwas ratlos dasitzen lässt. Sofort fallen die äußerst würzigen, ja fast schon rauchigen Noten auf, die von feinen roten Früchten etwas geerdet werden. Das ganze zunächst noch sehr verschlossen, nach 10 Minuten schon deutlich offener und eleganter. Die würzigen Noten sind jetzt eher in den Hintergrund gerückt. Ausgebaut hat Sebastian den Jungwein nach dreiwöchiger Maischegärung in gebrauchten Barriques. Vom Holz spürt man im Wein gerade so viel, wie es sein sollte. Die feine Frucht wäre durch den Einsatz von neuem Holz sicher erschlagen worden.

Am Flaschenboden angekommen: Ein Pinot, der nicht zu sehr auf Seriosität setzt, sondern eher mit seiner feinen Frucht und Würzigkeit ungemeinen Trinkfluss bietet. Der Wein ist auch noch deutlich zu jung, in 3 bis 5 Jahren sicherlich ein anderes Kaliber. Gespannt darf man auf den ersten Heiligkreuz Spätburgunder sein, wenn der ´1899´ eher die Mittelklasse in der Weinlinie abdeckt….

Quelle: Sebastian Erbeldinger

Am Ende des Abends stehen drei nahezu geleerte Flaschen Wein, eine leere Wurstplatte und ein verputzter Käseteller auf dem Tisch. Ich glaube, es war selten einfacher, einen Abend und die dazugehörigen Weine einzuordnen. Sebastians Arbeit hat mich jetzt schon sehr begeistert und ich werde seinen Weg gebannt weiterverfolgen, denn da ist ein junger, äußerst sympathischer Winzer dabei, das beste aus seinem Talent, seinen Mitteln und seinem Terroir zu machen. Rheinhessen hat mich in den letzten Wochen und Monaten generell sehr in seinen Bann gezogen. Etliche junge Winzer nehmen das Zepter im elterlichen Betrieb in die Hand, es entsteht eine junge Weinszene, die mit immer neueren Ideen frischen Wind in die etwas verstaubte Weinlandschaft Deutschlands bringt. Andere Regionen ziehen nach und wenn man Sebastians Weine probiert, könnte man fast in lauten Jubelschreie ausbrechen, mit Blick auf alles, was da noch kommt...


https://www.sebastian-erbeldinger.wine/

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